Geschlechterstereotype in Persona-Beschreibungen

نویسندگان

  • Nicola Marsden
  • Jasmin Link
  • Elisabeth Büllesfeld
چکیده

Im nutzungszentrierten Design werden Personas als zentraler Teil des Gestaltungsprozesses genutzt. Um zu untersuchen, welche Rolle Personas beim Fortschreiben bestehender Geschlechterstereotype spielen, wurden in einer empirischen Analyse 170 Persona-Beschreibungen hinsichtlich des dargestellten sozialen Umfelds, der Freizeitbeschäftigungen und der Technikkompetenz untersucht. Die Ergebnisse zeigen geschlechterstereotype Darstellungen auf der Dimension Wärme/Gemeinschaft. Diese werden diskutiert und es werden Empfehlungen für die Gestaltung mit Personas gegeben. 1 Personas zur Repräsentation von Nutzenden Gendergerechtigkeit spielt in der Forschung zu Human-Computer Interaction eine immer wichtigere Rolle (Breslin & Wadhwa, 2015; Grudin & Williams, 2013). Dabei ist die Berücksichtigung von Nutzerinnen und Nutzern mit ihren diversen Lebenslagen zentral (Marsden & Kempf, 2014). Die Persona-Methode ist eine Herangehensweise, die hier häufig als Werkzeug eingesetzt wird (Grudin, 2006; Nielsen, 2013; Pruitt & Adlin, 2006). In der Persona-Methode werden fiktive Repräsentanten von Nutzerinnen und Nutzern geschaffen. Personas werden im Rahmen des Gestaltungsprozesses als prototypische Stakeholder genutzt, um eine aktive Auseinandersetzung mit den Nutzerinnen und Nutzern, die Kommunikation zwischen Gestaltungsund Entwicklungsteam sowie zwischen Auftraggebenden und nehmenden zu unterstützen. Personas können im gesamten menschzentrierten Gestaltungsprozess eingesetzt werden und sowohl als formatives als auch als evaluatives Werkzeug eingesetzt werden (Nielsen, 2013). Der Einsatz von Personas birgt die Gefahr, dass unreflektiert Stereotype zum Einsatz kommen – wobei in einem gewissem Maße Stereotype in der Arbeit mit Personas unumgänglich sind (Turner & Turner, 2011). Die Gründe für die Anwendung von Stereotypen auf Personas sind vielfältig. In erster Linie handelt es sich hier um den Einsatz der I-Methodology (Bath, 2014a, 2014b; Oudshoorn, Rommes, & Stienstra, 2004) bzw. des fundamentalen GestalS. Diefenbach, N. Henze & M. Pielot (Hrsg.): Mensch und Computer 2015 Tagungsband, Stuttgart: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2015, S. 113-122. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 Lizenz. © 2015, Diefenbach, Henze, Pielot. Unauthenticated Download Date | 9/26/17 5:05 PM Geschlechterstereotype in Persona-Beschreibungen 2 tungsfehlers (Ritter, Baxter, & Churchill, 2014): Die Entwickelnden gehen von sich selbst aus und attribuieren die eigenen Vorstellungen, Herangehensweisen, Ziele etc. auf die Personas und konzipieren diese dann entweder als ihnen ähnlicher oder – entsprechend dem psychologischen Kontrasteffekt – als unähnlicher, als sie de facto sind. Auch andere Faktoren wie Zeitmangel oder Gruppenzugehörigkeiten fördern einen Rückgriff auf Stereotype bei Gestaltung und Einsatz von Personas (Marsden, Link, & Büllesfeld, 2014), ebenso eine wenig detaillierte Beschreibung von Personas (Nielsen, 2013). Als Lösung zur Vermeidung bzw. Reduzierung von sterotypen Beschreibungen im menschzentrierten Gestaltungsprozess gilt es in erster Linie, mit echten Nutzerinnen und Nutzern zu arbeiten (Buchmüller, Joost, Bessing, & Stein, 2011; Holtzblatt & Beyer, 2015; Ritter et al., 2014). Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Herangehensweisen, um problematische Vergeschlechtlichungen in der Human-Computer Interaction zu entdecken, zu thematisieren oder zu vermeiden werden, z.B. das „Gender Extended Research and Development“ (GERD)-Modell (Draude, Maaß, & Wajda, 2014) Mind Scripting (Allhutter, 2012), geschlechterund intersektionalitätskritische Softwaregestaltung (Paulitz & Prietl, 2014), Diffractive Design (Bath, 2014a; Ernst, 2014), das intersektionale „Sanduhr-Modell“ (Lucht, 2014), die verschiedenen Möglichkeiten feministischer Interventionen in den Gestaltungsprozess (Rommes, 2014), die Reflective/Reflexive Methods (Bardzell & Churchill, 2011) etc. Einige Ansätze der Vermeidung von Geschlechterstereotypen fokussieren spezifisch auf den Einsatz von Personas (Marsden et al., 2014), nutzen Personas, um eine Reflexion von Geschlechterstereotypen zu unterstützen (Källhammer & Nilsson, 2012) oder gezielt dafür, die Anliegen beider Geschlechter im Gestaltungprozess von Software zu berücksichtigen (Burnett et al., 2014). Um ein weitergehendes Verständnis davon zu bekommen, welche Rolle Geschlechterstereotype in der Arbeit mit Personas spielen, wurde eine Untersuchung von im Einsatz befindlichen Personas durchgeführt. Im Folgenden wird zunächst der theoretische Hintergrund von Geschlechterstereotypen skizziert, dann wird die Untersuchung beschrieben, die Ergebnisse werden vorgestellt und diskutiert und Implikationen für den Gestaltungsprozess abgeleitet. 2 Geschlechterstereotype Geschlechterstereotype beinhalten Wissen darüber, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen für Männer und Frauen ein einer Gesellschaft bezeichnend sind und bei ihnen vermeintlich zu beobachten sind (Kite, Deaux, & Haines, 2008). Als soziokognitive Strukturen haben Stereotype eine duale Struktur dahingehend, dass es sich einerseits um individuelles Wissen der jeweiligen Person handelt, andererseits um sozial geteiltes Wissen, das durch Kultur und zwischenmenschlichen Konsens hergestellt und verfestigt wird (Eckes, 2008). Die kognitive Komponente (der Stereotyp im engeren Sinne) geht einher mit einer emotionalen Komponente und einer Verhaltenskomponente. Der Dreiklang von geschlechtsbezogenen Stereotypen, Affekten und Verhaltensweisen, die in einen ungleichen sozialen Status von Männern und Frauen resultieren, wird als Sexismus bezeichnet (Swim & Campbell, 2003). Geschlechterstereotype sind häufig nicht bewusst und werden automatisch und ohne aktives 114 Nicola Marsden, Jasmin Link, Elisabeth Büllesfeld Unauthenticated Download Date | 9/26/17 5:05 PM Geschlechterstereotype in Persona-Beschreibungen 3 Zutun angewendet (Banaji & Hardin, 1996), d.h. sie entfalten ihre Wirksamkeit oft in Form von impliziten Assoziationen (Greenwald, McGhee, & Schwartz, 1998). Durch die duale Struktur von Geschlechterstereotypen ist es so, dass durch jeden Akt der Stereotypisierung der Stereotyp erneut konsensuell validiert, d.h. das vermeintliche Wissen über für Männer oder Frauen typische Eigenschaften und Verhaltensweisen wiederum fortgeschrieben wird. Hinsichtlich der Inhalte von Geschlechterstereotypen zeichnet die Forschung ein klares Bild: Frauen werden Eigenschaften zugesprochen, die eher auf der Dimension Wärme, Soziales oder Gemeinschaftsorientierung angeordnet sind. Merkmale, die häufiger Männern zugeordnet werden, sind auf der Dimension der aufgabenbezogenen Kompetenz, Instrumentalität oder Selbstbehauptung zu verorten (Fiske, Cuddy, & Glick, 2007), ein Ergebnis, welches interkulturell und auch für Deutschland bestätigt wird (Ebert, Steffens, & Kroth, 2014; Eckes, 2002). Neben diesen Globalstereotypen von Männern und Frauen gibt es Substereotype, d.h. Globalstereotype sind strukturell heterogen und setzen sich aus einer Reihe in sich homogener Kategorien zusammen. So werden zum Beispiel arbeitende Mütter und arbeitende Väter sehr unterschiedlich wahrgenommen: Arbeitende Mütter werden als kompetenter eingestuft, verlieren aber auf der Dimension Wärme, die mit Mütter und Hausfrauen verbunden ist. Arbeitende Väter hingegen werden als eine erfolgreiche Kombination in den Dimensionen Wärme und Kompetenz wahrgenommen (Cuddy, Fiske, & Glick, 2004). Für die Globalstereotype, mit denen Frauen eher Eigenschaften der Dimension Wärme/Gemeinschaftsorientierung und Männer eher Kompetenz/Instrumentalität zugeschrieben wird, hat sich gezeigt, dass sie über die Zeit sehr stabil sind. Allerdings hat sich in den letzten Dekaden die von Frauen über sich selbst berichtete Instrumentalität kontinuierlich erhöht – die selbstberichtete Expressivität von Männern bleibt dabei gleichzeitig unverändert (Twenge, 1997, 2009). Für die Globalstereotype gibt es zwei Erklärungsansätze: Die Theorie der sozialen Rollen (Eagly, Wood, & Diekman, 2000) zeigt auf, dass Menschen davon ausgehen, dass Frauen und Männer diejenigen Merkmale aufweisen, die für ihre jeweiligen sozialen Rollen, insbesondere für ihre Familienund Berufsrollen, typisch sind. Menschen verallgemeinern dann vom beobachteten Rollenverhalten unmittelbar auf Eigenschaften der Rolleninhabenden und vernachlässigen dabei den Einfluss der verhaltenswirksamen Rollenanforderungen. Ergänzend werden die Globalstereotype durch das Stereotypinhaltsmodell erklärt (Fiske, Cuddy, Glick, & Xu, 2002). Es besagt unter anderem, dass der Status einer Gruppe die Einordnung auf der Kompetenzdimension bestimmt, und zwar dahingehend, dass Gruppen mit hohem Status als kompetent eingeschätzt werden. Die Einordnung einer Gruppe auf der Wärmedimension dagegen wird durch die Art der Interdependenz bestimmt, und zwar so, dass kooperative Gruppen als warm bzw. als unbedrohlich für die eigenen Gruppenziele und kompetitive Gruppen als kalt bzw. als bedrohlich eingeschätzt werden. Es gibt eine Vielzahl von Methoden zur Messung von Stereotypen (Eckes, 2008; Kite et al., 2008). Um medial vermittelte stereotype Darstellungen der Geschlechter zu untersuchen, werden meist inhaltsanalytische Verfahren angewendet (Collins, 2011; Rudy, Popova, & Linz, 2011), sie zeigen, dass Frauen in der medialen Vermittlung eher unterrepräsentiert sind, untergeordnet, in stereotyp femininen Rollen oder negativ dargestellt werden (Collins, 2011). Bisher wurden Persona-Beschreibungen noch nicht als mögliche Kristallisationspunkte von Geschlechterstereotypen in den Blick genommen. Diese Forschungslücke sollte mit l t r t r t i r r i 115 Unauthenticated Download Date | 9/26/17 5:05 PM Geschlechterstereotype in Persona-Beschreibungen 4 der vorliegenden Untersuchung geschlossen werden, vor allem vor dem Hintergrund dass eine geschlechterstereotype Darstellung an dieser Stelle den gesamten Gestaltungsprozess beeinflussen kann. Eine Forschungsfrage lautet entsprechend, welche Hinweise existierende Persona-Beschreibungen auf Geschlechterstereotype geben – die hier berichteten Ergebnisse fokussieren sich dabei auf das soziale Umfeld, die Freizeitbeschäftigungen und die Technikkompetenz der Personas.

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